Herr(chen) über Leben und Tod – das Haustier einschläfern. Ein Erfahrungsbericht.

Es ist nun mal so… irgendwann kommt die Zeit, in der man sich von seinem heißgeliebten Haustier trennen muss. Im besten Fall schläft der pelzige Freund in irgendeiner Ecke der Wohnung friedlich ein und wacht einfach nicht mehr auf. Wie es sich anfühlt, sein Haustier einschläfern lassen zu müssen, möchte ich euch hier erzählen. Und ja, da ist ein sehr persönlicher und eigentlich nicht hierher passender Artikel. Aber ich bin eben auch nur ein Mensch.

Wie alles begann vor 17 Jahren:

“Möchtest du dir den Kater mitnehmen? Ich kann ihn nicht brauchen. Eine Bekannte hat ihn einfach hier abgegeben und nicht mehr abgeholt. Er heißt angeblich Leo und ist drei Jahre alt.”
Meine rundliche Nachbarin streckt mir einen getigerten Kater mit blutig gekratzten Ohren entgegen. Eigentlich will ich keine Katze haben. Also nicht jetzt. Ich wollte eigentlich nur nach Milch fragen. Für den Kuchenteig, der halbfertig in meiner Küche steht.

Der Kater tat mir aber leid. Und so stand ich Minuten später in meiner Küche. Mit einem Kater. Ohne Milch. Die Nachbarin hatte keine. FAIL. Mich kann man nicht mal um Milch schicken, ohne dass ich irgendetwas Dummes tue.

Wie alles endete:

Schon bei der Fahrt zum Tierarzt weiß ich es. Ich denke, seine Zeit ist gekommen. Ich brauche meinen Kater nur anzusehen. Er sieht jämmerlich aus. Das Fell struppig, unfassbar dünn und die Augen mit Schleim bedeckt. Er ist mittlerweile so dünn, dass er bei Wind regelrecht verweht wird, wenn er durch den Garten spaziert. Aufs Katzenklo schafft er es nur mehr selten. Senil und schutzsuchend legt er sich an die unmöglichsten Plätze. Wenn er schnurrt, bilden sich kleine Spuckebläschen die durch seine vier verbleibenden Zähne sickern. Von meinem stolzen Kater ist nichts mehr übrig. Er ist einfach alt. 20 Jahre sind ein biblisches Alter für einen Kater.

Trotzdem rede ich mir fleißig ein, dass man ihm beim Arzt mit Infusionen helfen kann.

Er frisst und trinkt ja. Er kuschelt sich zu mir unter die Decke und schnurrt. Er liegt mit mir im Garten und versucht nach wie vor, meine Haare am Kopf in Form zu lecken während ich schlafe. Er ist irgendwie mein bester Freund. Ohne jemals etwas gesagt zu haben, half er mir durch die letzten Jahre.

Hoffnungsvoll schaue ich zu Igor. Der schüttelt nur den Kopf und blickt betreten aus dem Fenster. Stille im Auto. Nicht mal Leo miaut. Vermutlich ist er einfach zu schwach dazu.

Wir sind die ersten in der Praxis und warten nur kurz, ehe wir dran genommen werden. Ich würde am Liebsten wieder nach Hause fahren und mich ins Bett legen, um das hier nicht tun zu müssen.

Die Ärztin öffnet die Katzenbox, sieht meinen Kater, blickt mich kurz an, senkt den Blick: “Wirklich gerne würde ich ihm helfen, aber ich denke es ist das Beste, sie erlösen ihn. Er ist sehr alt und hatte ein wunderschönes Leben.”

Kennt ihr das, wenn das Herz plötzlich ein paar Takte aussetzt und man merkt, dass man den Atem eine ganze Weile angehalten hat?
Tausend Erinnerungen schießen mir durch den Kopf.
Er war zur Stelle als ich mit massenhaft Eis und heulend vor Liebeskummer am Sofa einschlief. Mein Kater war an meiner Seite als ich umzog. Er war immer da.
Er hat an meinem Bett gewacht und mit mir gemeinsam leidenschaftlich Extrawurst und Milchschnitten vernichtet. Ich weiß noch genau, als er Lametta gefressen hat und wir ihn danach auf der Katzentoilette stundenlang beobachtet haben um sicher zu gehen, dass der Glitzer wieder aus ihm raus kommt.

In mir zerbricht etwas. Es tut richtig weh und ich halte es kaum aus. Langsam nicke ich – und fühle mich augenblicklich wie das Letzte. Ich habe sein Todesurteil gesprochen.

Durch den Tränenschleier sehe ich, wie sie ihm die Spritze in den hinteren Lauf setzt. Ein Narkosemittel in Überdosierung. Damit er tief schläft, wenn sie ihm die finale Spritze ins Herz gibt. Sanft kraule ich ihm den Kopf und warte, bis dieser von selbst langsam auf die Tischplatte sinkt. Er sieht friedlich aus. Ich hoffe wirklich, dass ich das Richtige tue. Warum kann er nicht einfach so einschlafen? Ständig streichle ich ihn und rede leise auf ihn ein. Ich hatte ihn so lange an meiner Seite.
Scheiße, ich werde ihn vermissen.

Kurz danach tastet die Tierärztin meinen Kater ab, öffnet seine Augen und prüft Reflexe. Die letzte Spritze wird aufgezogen. Diese kommt direkt ins Herz um es zum Stehen zu bringen. Noch kann ich es klopfen spüren. Unregelmäßig und schnell wie bei einem kleinen Vogel. Ich kuschle mich in sein weiches Fell um nicht hinsehen zu müssen, wie sie ihm den Todesstoß versetzt und weine hemmungslos. Es dauert ewig. Sicher sieben Minuten bis alles vorüber und mein Kater nur noch eine Hülle ist. Die Assisstentin weint mit mir. Ein paar Tränen rollen auch ihr über die Backe.

Ich weine immer noch, als ich durch die Praxis zum Auto wanke. Den Katzenkorb mit meinem toten Kater fest im Griff. Umarmungen von Igor schlage ich aus. Ich möchte nur noch nach Hause und Leo beerdigen.

Das Gefühl, den noch warmen Körper in die Erde zu legen, ihn mit einem Seidentuch zuzudecken und dann einfach einzugraben: Horror. Vergesse ich niemals.

Ständig glaubte ich, ein Miauen zu hören und hatte Panik, dass er sich plötzlich bewegen könnte. Nach dem Einschläfern kann es nämlich zu unwillkürlichen Zuckungen des Tieres kommen. Ich betete, er möge bitte bitte bitte nur ja nicht zucken. Das hätte mich komplett fertig gemacht.

Völlig fertig schaufelte ich das Loch schlussendlich zu. Es war vorbei.

Der beste Tausch meines Lebens. Kater gegen Kuchen.
17 Jahre an meiner Seite muss man erst mal aushalten.

Danke für deine Liebe.